Sechs Wochen nach dem ersten Bundeskongress Design – ein Blick zurück und nach vorn
Manchmal braucht es etwas Abstand, um zu verstehen, was da eigentlich passiert ist. Sechs Wochen nach der DIVE’25 im Münchner Fat Cat wird mir immer klarer: Wir haben nicht nur eine Konferenz erlebt, sondern einen Wendepunkt für die deutsche Designlandschaft.
»Vor dem Tauchen muss man springen!«
Boris Kochans Metapher vom Sprung ins Unbekannte beschreibt perfekt, was die DIVE’25 war: Ein mutiger Sprung in unbekannte Gewässer. Die Idee war radikal einfach – und radikal anders: Nicht »unter uns bleiben«, sondern alle Bereiche des Designs mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammenbringen.
Was entstanden ist, war ein »gigantisches interdisziplinäres Experiment« – mehr als 80 Sprecher:innen und 40 Keynotes auf der großen Bühne im Carl-Orff-Saal, zahllose Panels, tolle Vorträge in der konzentrierten Atmosphäre der BlackBox, Roundtables und Workshops, persönliche Begegnungen zwischen völlig verschiedenen Welten. Ein großer Schmelztiegel, der weit über reines Design hinausging.
Raus aus der Bubble – rein in die Gesellschaft
Die sieben Themenschwerpunkte zeigten die gesellschaftliche Wirkmacht unserer Disziplin auf: Von »Design für Transformation und KI« über »Design für Inklusion« und »Design für Geschlechtergerechtigkeit« bis zu »Design für die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts«. Design wurde endlich als das sichtbar, was es ist: Ein wesentlicher Motor gesellschaftlichen Fortschritts.
Besonders bewegt hat mich das Gespräch mit Luisa Neubauer, das ich moderieren durfte. Ihre Worte über die »Ästhetik von Begegnung« und dass es »undenkbar wäre, all das, was wir angehen wollen, anzugehen ohne das Kreative ins Zentrum der Betrachtung zu rücken«, treffen den Kern: Design als Kraft für gesellschaftlichen Wandel.
Wie Hubert Aiwanger, bayerischer Wirtschaftsminister, es in seiner Begrüßung auf den Punkt brachte: »Sie machen die Dinge nicht nur schöner, sondern Sie machen sie vor allem besser, funktionaler, hilfreicher und sind damit ein wesentlicher Motor eines Wirtschaftswachstums!«
Die Zahlen sprechen für sich
Die wirtschaftliche Relevanz ist beeindruckend: 37.000 Erwerbstätige im Bereich Design machen rund 11% der Kultur- und Kreativwirtschaft in Bayern aus. In München – dem leistungsstärksten Zentrum der Kultur- und Kreativwirtschaft Deutschlands – erwirtschaftet die Designbranche 1,92 Milliarden Euro Umsatz und ist damit der drittgrößte Teilmarkt.
Diese Zahlen untermauern, was die 16 Mitgliedsverbände des Deutschen Designtags schon lange wissen: Von der AGD über den DDC bis zur Typographischen Gesellschaft München – sie alle repräsentieren eine Branche mit 20 Milliarden Euro Umsatz und enormem gesellschaftlichem Impact.
Der transformative Moment des Deutschen Designtags
Die DIVE’25 markiert einen strategischen Wendepunkt: Der Deutsche Designtag hat sich von einer primär politisch-institutionellen Organisation zu einer sichtbaren, präsenten Kraft entwickelt. Mit hoher Medienresonanz und einer völlig neuen Außenwirkung steht die Organisation vor der Herausforderung und Chance, diese neue Sichtbarkeit systematisch weiterzuentwickeln.
360.000 Designer:innen und 60.000 Designunternehmen haben endlich eine angemessene Bühne bekommen. Die Frage ist: Wie nutzen wir diese neu gewonnene Aufmerksamkeit?
Das Nachglühen – und was bleibt?
Was mich besonders gefreut hat: Die DIVE’25 hatte ein langes Nachglühen in den sozialen Medien. Wochenlang posteten Teilnehmer:innen Eindrücke, neue Verbindungen entstanden, Projekte wurden angestoßen. Ein Zeichen dafür, dass die Konferenz tatsächlich etwas bewegt hat.
Als Moderatorin durfte ich nur einen Teil der vielen inspirierenden Sprecher:innen erleben, u.a. Luisa Neubauer, Florian Pfeffer, Prof. Markus Frenzl, Prof. Mike Richter, Prof. Sabine Resch, Karin Schmidt-Friderichs, Sebastian Thies, Prof. Karsten Henze, Sebastian Mends-Cole, Matthias Hornschuh, Lukas Cottrell, Prof. Dr. Petra Gehring, Götz Ulmer, Tobias Wüstefeld, Uli Mayer-Johanssen, Irmgard Hesse, Frank Wagner, Marina Bräm, Jan Schwochow uvm. Kein Wunder bei einem Programm auf zwei Bühnen parallel, plus Workshops und Roundtable-Diskussionen. Die Vielfalt war überwältigend – und genau das war das Ziel.
Sechs Wochen später frage ich mich: Was ist aus all den guten Vorsätzen und neuen Verbindungen geworden? Schade ist, dass wir uns langsam wieder aus den Augen verlieren. Aber ich hoffe und glaube, dass etwas Bleibendes entstanden ist.
»Wirklichkeit will gesucht und gewonnen werden«
Paul Celans Worte, die während der Konferenz fielen, beschreiben perfekt unsere Aufgabe: Die Zukunft will gestaltet werden – mit Visionen, Inspiration, Diskurs. Eben Design.
Die DIVE’25 hat gezeigt: Design ist politisch, Design ist systemrelevant, Design kann gesellschaftliche Transformation vorantreiben. Jetzt müssen wir diese Erkenntnis in konkrete Projekte und strukturelle Veränderungen überführen.
»Wir machen’s einfach« – so das gemeinsame Fazit von Nadine Vicentini von bayern design und Boris Kochan. Nein, korrigiert: »Wir machen es nicht einfach, sondern wir machen es gemeinsam.«
Genau das ist die Botschaft, die bleibt: Gemeinsam gestalten wir die Zukunft. Die DIVE’25 war der Sprung. Jetzt kommt das Tauchen.
PS: Der wunderbare Live Blog von Heike Rost ist noch online – hier reinlesen.
PPS: Grüße gehen raus an das mega Moderatorinnen-Team: Claudia Friedrich & Miriam Zlobinski