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Start meiner neuen Podcast-Vorlesung »Designtheorie« an der Hochschule München

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Design ist wirklich eine eigenartige Disziplin. So viele Jahre denke ich schon darüber nach, was es kann und was es so besonders macht – und so anders macht als andere Professionen und Wissenschaften. Wie eben Design sich in den Kontext der Welt einordnet.

Design ist kein richtiges Handwerk, aber mit vielen handwerklichen Aspekten – das »Machen« spielt eine große Rolle im Gestaltungsprozess, das Skizzieren, Prototypen, durch Ausprobieren auf neue Ideen kommen. Darin sind wir richtig gut: schnell was »raushauen«, was zaubern, ein Luftschloss bauen und den ersten Ziegel einfach so schwebend in den leeren Raum setzen – wenn die anderen noch im Zoom-Call oder am Konferenztisch sitzen und debattieren, wie etwas sein müsste oder könnte, haben wir’s einfach schon gemacht. So isses bei uns Designer:innen immer: Am Ende kommt ein sichtbares und/oder anfassbares Ergebnis heraus, ein Artefakt: ein Entwurf, ein Layout, eine Präsentation, ein Produkt, ein Erscheinungsbild usw.

Design zählt nicht zu den Geisteswissenschaften, hat aber viele geisteswissenschaftliche Aspekte – das »Denken« spielt eine große Rolle im Gestaltungsprozess, hier laufen viele andere Denkströmungen zusammen, aus der Soziologie, Psychologie, der Semiotik, der Geschichte und der Kultur. Designer:innen entwickeln Mentefakte: Denkansätze, Konzepte, Strukturen, Informationsarchitekturen, Strategien. Wir sind die mit der direkten Verbindung in den großen Ideenspeicher, an das kollektive Bildergedächtnis, an die unsichtbare und unerschöpfliche Welt der Ideen.

Design ist eine Disziplin, deren größte Stärke diese Zweigeteiltheit ist – und gleichzeitig ihre größte Schwäche. Es ist eine große Stärke (ich würde sogar sagen, eine Art Superpower): Ideen, die noch NICHT in der Welt vorhanden sind, sichtbar, begreifbar und anfassbar zu machen. Eine große Schwäche ist, dass man, sobald diese Verkörperung einer Idee in der Welt ist, dieser Körper so übermächtig ist, dass die Intelligenz, die Denkweise dahinter, unsichtbar bleibt – und quasi vergessen wird.

Designer:innen sind auch ein bisschen selber schuld, weil sie immer nur ihre Artefakte herzeigen: In Interior Design-Magazinen, Design-Büchern, in der Berichterstattung der Mailänder Möbelmesse und auf Websiten von Designbüros sind meist nur Abbildungen von Objekten bzw. Artefakten: Stühle, Logos, Autos, Inneneinrichtungen etc. Wer aber immer nur den sichtbaren Teil seiner Arbeit herzeigt, wird eben auch auf den sichtbaren Teil seiner Arbeit reduziert. Ein Ausbruchsversuch, den unsichtbaren Teil unserer Arbeit zu benennen, zu praktizieren und zu vermarkten, war IDEOs Idee des »Design Thinking«. Ein genialer Coup, meines Erachtens, nur eben, wie’s oft passiert mit solchen Buzzwords, inflationär gebraucht und in leere Symbolhandlungen abgedriftet (Wände voller Post-its – wieder so ein Artefakt).

Umso mehr freue ich mich, dass ich seit diesem Semester »Designtheorie« an der Designfakultät der Hochschule München lehre, noch dazu im 1. Semester, wo meine jungen Studierenden ganz am Anfang stehen, ihr gedankliches Gebäude, genau so wie ihr Macher-Repertoire, zu entwickeln. Und zwar Designer:innen aus alles Studiengängen: Kommunikationsdesign, Industriedesign und Fotodesign.

Meine Vorlesung findet wie immer nach dem Prinzip »Flipped Classroom« statt – die Vorlesung gibt’s als Podcast, in Präsenz nutzen wir unsere Zeit für gemeinsames Arbeiten an einer praktischen Rechercheaufgabe, Diskussion, Austausch und Sparring.

Den Podcast (Produktion: Ramon Bessel) gibt’s übrigens wie alle meine Lehr-Podcasts, auf allen gängigen Podcast-Plattformen: Podigee, Spotify, Google, Deezer.