Julia ist vor allem gerne mit der nachwachsenden Generation, den Studierenden, im Austausch. Deshalb ist sie, neben ihrer eigenen Lehrtätigkeit im Master »Strategische Gestaltung«, regelmäßig für Vorträge und Book Talks an Hochschulen unterwegs; hierbei v.a. die Gestaltungsstudiengänge. Gerade der kritische Diskurs zu den Themen Digitalisierung und Verantwortung des Designs liegt Julia am Herzen; genauso aber die Fähigkeit der Studierenden, das kritische und selbstbestimmte Denken zu lernen.
Wie fühlt sich unsere Zeit heute an? Wie wollen wir leben?
Wie fühlt sich unsere Zeit heute an? Alle reden von Digitalisierung, künstlicher Intelligenz und totaler Vernetzung – und das nicht erst seit der Pandemie. Die Digital-Utopisten schwören uns ein auf eine tolle Zukunft – „engineering the future“ ist das Mantra unserer Zeit. Aber im echten Leben fühlt sich das irgendwie ganz anders an. Eigentlich sitzen wir doch nur in Calls und arbeiten roboterartig E-Mail Inbox und Kalender ab. Unser eigenes Denken ist von den Algorithmen und von außen auf uns einprasselnden Push-Notifications total fragmentiert. Wenn wir mal ganz ehrlich sind, sehen wir den Sinn hinter dem, was wir in der Arbeit und im Leben so tun, schon lange nicht mehr. Und obendrein eint unsere Generation ein verstörendes Grundgefühl, über das wir nur hinter vorgehaltener Hand reden: dass die Welt, wie wir sie kannten, sich unter unseren Fingern aufzulösen scheint. Können wir so in die Zukunft des Digitalzeitalters starten?
»Wir optimieren Schlaf, Partnersuche, Ernährung und unser Aktienportfolio. Wir tracken Schritte, lesen rund um die Uhr News, sammeln Follower und nutzen jede Sekunde des Tages effizient. Aber was unser Denken betrifft – das langsame, tiefe Denken – da sind wir sehr nachlässig. Dafür gibt es keine App.«
Hochschul-Vortrag »Digital Renaissance« – die Kunst des selbstbestimmten Denkens im Digitalzeitalter
Wenn wir so weitermachen, endet jeder Einzelne von uns in der digitalen Depression – total gestresst, fremdgesteuert und vor allem sinnentleert. Als die Generation am Hebel stehen wir vor einem echten Dilemma: Diese Zeiten des Umbruchs erfordern neues, innovatives und eigenständiges Denken; aber niemand hat Zeit dazu – oder haben wir es gar verlernt?
Aber wäre es in diesen Zeiten nicht am allerwichtigsten, für jeden Einzelnen genauso wie für Unternehmen, uns unsere Denkräume zurückzuerobern, aus der Technologie-Monokausalitis auszubrechen, unser fragmentiertes Denken wieder zusammenzufügen, Kreativprozesse und Wissenskreisläufe in Gang zu setzen und neue Erklärungsmodelle zu finden, wie die Welt im Digitalzeitalter funktioniert? Wie wir wirklich Dinge verändern können?
»Die einzige philosophische Leitlinie, über die sich der Mensch des 21. Jahrhunderts definiert, scheint zu sein ‘Du bist was du isst’. Was wäre, wenn wir uns mit der gleichen Besessenheit um unsere geistige Nahrung kümmern würden: ‘Du bist was du denkst’?«
Über Julia Peglow
Julia Peglow ist kein Digital Native. Sie gehört als Kind der 1970er Jahre der Generation an, die mit einem Bein im analogen und mit dem anderen im digitalen Zeitalter steht. Julia studierte Kommunikationsdesign in Deutschland und England und war zwanzig Jahre als strategische Beraterin und Geschäftsführerin für internationale Branding- und UX-Agenturen in London, Berlin und München tätig. Sie kommt aus dem digitalen Sturm – sie war einer der Treiber.
2017 beschloss sie, anders zu arbeiten, um »wieder Zeit zum Nachdenken zu haben« und sich an ihr Langzeitprojekt zu machen: als Chronistin über unsere merkwürdige Übergangszeit, das Digitalzeitalter, zu schreiben. 2021 erschien ihr Buch »Wir Internetkinder« – ein Appell, der digitalen Welt mit einer anderen Haltung gegenüber zu treten.
W&V kürte Julia als einen von »100 Köpfe« – people to watch 2022, sie unterrichtet als Dozentin im Master »Strategische Gestaltung« an der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd, schreibt eine Kolumne über Kreativität im Digitalzeitalter in der t3n und regelmäßig auf ihrem Blog diary of the digital age.
Julia Peglows Thesen
- Die digitalen, „produktiven“ Tools sind in Wirklichkeit kontraproduktiv
- Wir haben neue Tools, neue Aufgaben – und versuchen diese mit den alten Strukturen der Organisation und Zusammenarbeit zu lösen
- Wir leben im Wissenszeitalter – und dennoch leiden Unternehmen an gestörten Wissens- und Kommunikationskreisläufen
- Generationen-Echokammer: Flaches, fragmentiertes Internetwissen hindert uns, größere Zusammenhänge zu erkennen
- Big Picture: Wir sind umgeben von Strukturen, die das menschliche Denken hacken
- Wenn wir so weitermachen, geben wir die Ur-Fähigkeit des Menschen an die Maschinen ab: Kreativität
- Wir müssen uns erinnern, um was es eigentlich geht: Wertschöpfung
- Wir brauchen eine Rückkehr zum Machertum – um Veränderung auf die Straße zu bringen
- Wir müssen neu priorisieren: Leben first – Technology second
- Digital Renaissance: Wir müssen das große Bild sehen, uns Kreativität und selbstbestimmtes Denken zurückerobern – und neu denken!
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