Oft liest man von »Abenteuer Elektromobilität«, aber nach einigen Monaten unterwegs als Strom-Pionier mit einem BMW i3 ist mein Fazit: elektrisch fahren an sich ist gar nicht das Abenteuer. Das eigentliche Abenteuer ist das Laden, genauer gesagt der Ladevorgang, wenn man aus dem alltäglichen, braven, berechenbaren Pendlerdasein ausbricht und mal richtig unterwegs ist.
Gut ausgebaute Ladeinfrastruktur
Entgegen dem oft aus Halbwissen geäußerten Gemaule ist die Ladeinfrastruktur mittlerweile recht gut ausgebaut, allein in Deutschland gibt es ca. 6.000 öffentliche Ladestationen mit insgesamt ca. 18.000 Ladepunkten (Stand 2015, Quelle: Wikipedia). Das heißt, in vielen Städten gibt es zentral gelegene, an vielen großen Autobahn-Tankstellen ganze Bereiche mit Ladestationen, an denen man sein Elektroauto laden kann – omnipräsent eine stolze Reihe an sechs bis acht Tesla-Ladestationen, und zwei bis vier Stationen für »den Rest«, also auch meinen BMW i3. Interessanterweise entsteht so eine Art Parallelrealität auf deutschen Autobahnen. Die Leute, die ihre »Verbrenner« tanken, schauen immer skeptisch rüber, zu denen, die ihre »Stromer« laden. An den Tesla-Ladestationen herrscht oft reger Betrieb: coole, stylishe Familien, irgendwie oft aus skandinavischen Ländern, entsteigen dem Model S und starten souverän den Ladevorgang im komfortablen, geschlossenen Tesla-Ecosystem. Anders »der Rest«: Leute wie ich, die einen BMW i3 fahren, stehen vor jedem Ladevorgang an öffentlichen Ladestationen wie der erste Mensch. Denn wenn man on the road erstmal eine Ladestation gefunden hat, geht die Einarbeitung in ein meist völlig neues System los. Manchmal mit unsicherem Ausgang.
Keine Standards in Bedienung und Bezahlung
Denn das Problem ist nicht der so viel diskutierte mangelnde Ausbau der Ladeinfrastruktur oder dass elektrisch Laden stundenlang dauert – mit einer Schnelllade-Verbindung erreicht der fast leergefahrene Akku innerhalb einer Viertelstunde wieder ca. 80% Kapazität. Das Problem sind die fehlenden Standards sowohl in der Bedienung der Ladestationen, als auch bei der Bezahlung. Das liegt in der Natur der sich gerade neu formierenden Branche: Es gibt eine Unzahl von vertikalen Anbietern, die Ladestationen aufstellen und einen eigenen Zugang dazu anbieten, z.B. das österreichische Unternehmen Smatrics; sowie eine Unzahl an horizontalen Anbietern für Zugang und Bezahlkarten, u.a. ChargeNow, aber auch Stromanbieter wie e-on. Was bedeutet das für den Benutzer? Er fängt im Prinzip bei jedem Ladevorgang von Vorne an, sich in ein komplexes System einzuarbeiten.
Denn jeder dieser Anbieter bietet ein eigenes, geschlossenes System an. Um überhaupt Strom tanken zu können, muss der Benutzer einen Account mit Kundenkarte beantragen, mit der er dann auch via RFID bezahlen kann. Das Problem ist, dass man genau dann, wenn man vor der Ladesäule steht und Strom braucht, diese Kundenkarte und den Benutzeraccount noch nicht besitzt! Da denkt man wehmütig daran, wie man in der alten Welt Fahrkarten oder den Parkschein am Automaten bezahlt hat: Ohne Benutzer-Account, einfach Bargeld oder EC-Karte reingesteckt. Man fragt sich, warum denn Strom tanken überhaupt anders funktionieren muss?
Neulich am Irschenberg
Die dicke fette Tankstelle am Irschenberg, eine beeindruckende Allee von ca. acht Tesla-Ladestationen und vier Ladepunkte der Firma Smatrics. Um überhaupt an Strom zu kommen, muss man auf der Website des Stromanbieters erstmal einen Benutzer-Account anlegen. Man tippt also auf seinem Smartphone auf einer nicht für mobile Anwendung konzipierten Seite alle möglichen persönlichen Daten ein und wartet auf die Identifizierung per Bestätigungsmail, die man wieder anklicken muss um den Account zu verifizieren. Das wäre ja an sich kein Problem an einem Desktop-PC mit schneller Internet-Verbindung. Aber – zur Erinnerung – wir stehen ja an einer Autobahnraststätten mit Edge- oder 3G-Internetverbindung und starren auf das rotierende Laderädchen. Und dann hat man ja auch immer noch keine Kundenkarte, die wird Wochen später per Post zugestellt. Smatrics bietet in diesem Fall relativ antiquiert einen Direktlade-Vorgang per Bankeinzug an.
Bei jedem Ladevorgang in unbekanntem Gebiet kommt wieder ein neuer Betreiber hinzu. Mit der Zeit sammelt man dann als Elektroautofahrer einen bunten Blumenstrauß an Kundenkarten (was keine Garantie dafür ist, dass es gelingt, mit der Bezahlkarte auch den Ladevorgang an einer Fremdanbieter-Zapfsäule zu starten).
Schwer zu verstehen ist auch, warum ich als Stromer-Kunde an einer großen Tankstelle wie dem Irschenberg nicht einfach lade und meinen Strom an der Kasse bezahle, wie die Benzin-Kunden das machen. Also der Begriff »Tank«-Stelle einfach etwas weiter gefasst wird in Richtung Mobilitäts-Enabler. Zumal der ganze Convenience-Gastrobereich an den Tankstellen ja für Strom-Kunden wie gemacht ist, weil die garantiert mindestens eine Viertelstunde Aufenthalt haben.
Noch eine unvorhersehbare Situation: Man hat dann endlich erfolgreich den Kunden-Account angelegt, erfolgreich geladen, erfolgreich bezahlt, aber dann geht der Schnelllade-Stecker nicht raus, weil er gelockt ist. Die Zapfsäule gibt uns sozusagen nicht frei, obwohl der Vorgang abgeschlossen ist, wir wieder einen vollen Akku haben und weiterfahren wollen. Also wieder den Smatrics-Kundenservice angerufen, in der Warteschleife gewartet, einen freundlichen Mitarbeiter erreicht, um Freigabe gebeten. Der muss sich erst mit einem Kollegen beraten, dann die Info: »Bitte drücken Sie den Emergency-Button« (den es fast an jeder Ladestation gibt). Danach können wir uns befreien und weiterfahren. Warum kann eigentlich der Stromanbieter die Verbindung locken?
Nachtrag: Bei einem erneuten Lade-Stopp am Irschenberg war der ganze Vorgang viel einfacher, Stecker reingesteckt, kostenlos geladen, weitergefahren.