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Out of the echo chamber: Mehr Mentorship und offener Austausch in der Business-Welt

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Über Haifischbecken, Hierarchien und Hybridtalente

Als ich eine junge Designerin war, gab es einige wenige, die mich unterstützt oder darin bestärkt haben, meinen Weg zu gehen. Die Hochschule war noch eine Art geschützter Raum gewesen. Aber die Agenturlandschaft (die Kreativ-, Digital-, Branding- und Designagenturen), in die ich mich in den 1990er und 00er-Jahren aufgemacht habe, war wild gewachsen, ohne viel Strukturen, einzig getrieben vom schnelllebigen Projektgeschäft; jede Agentur und jedes Team im Grunde genommen ein Haifischbecken, in das man geworfen wurde, um zu sehen, ob man untergeht oder nicht. In meinen Agenturjahren in London, Berlin und München hab ich viel erlebt: tyrannische Chefs, Kunden, die das unmögliche von einem verlangen und Zickereien in den Teams. Heulende Mädchen auf dem Klo, die sich solidarisch gegenseitig Pads zustecken, um die roten Augen abzuschwellen. Aber auch viel positives: ein besonderes Gemeinschaftsgefühl, geistige Heimat, viel Idealismus und Herzblut.

Was es in Agenturen nicht gab (zumindest hab ich es früher nie vorgefunden): Strukturen und Prozesse, um junge Talente systematisch aufzubauen und zu fördern. Stattdessen: Hackordnung. Was es auch nicht gab: Echter Austausch zu den grundsätzlichen Fragen, die einen bei der gestalterischen Arbeit umtreiben, sei es fachlicher Art, Wie kann ich eine strategische Sichtweise ich meiner Arbeit argumentieren?, oder moralischer Art, Was ist der Sinn und die Bedeutung von dem, was wir hier tun? Was ist – in meinem Berufsfeld –die Aufgabe und Verantwortung von Design?

Sicher ist die Agenturbranche in dieser Hinsicht mittlerweile professioneller geworden, auch, weil sie Mühe hat, den Nachwuchs zu rekrutieren. Viele Designtalente haben trotzdem Schwierigkeiten, sich eindeutig in das Schubladendenken der Hierarchien und Jobdescriptions einzuordnen, gerade die Hybridtalente, Grenzgänger und Mischwesen, die heute gebraucht werden, um übergreifend zu denken und komplexe Probleme zu lösen.

Es ist eben die schwierigste Gestaltungsaufgabe, sein Leben zu gestalten. Den eigenen Weg zu finden und Antwort auf die Fragen, die einen umtreiben. Wenn man zweifelt und zögert, oder sich einfach nicht sicher ist, oder zwischenzeitlich seinen eigenen Weg nicht sieht, wohin mit solchen Unsicherheiten? In der Business-Welt, in der man keine Fehler macht und keine Schwäche zeigt, ist wenig Platz dafür. Erst in der Rückschau ist mir klar geworden, dass ich, abgesehen von meiner Familie und geduldigen Freunden, eigentlich nie ein Forum für Austausch auf professioneller Ebene hatte. Irgendwie war ich – oder vielleicht sogar meine ganze Generation aus den 1970er Jahren? – total darauf gepolt, unabhängig zu sein und alles alleine hinkriegen zu müssen. Dabei geht es viel leichter, wenn man ein Netzwerk von Unterstützern um sich hat.

Das Ende der Monokulturen

Männer-Netzwerke sind der Blutkreislauf der Business-Welt: Jungs, die sich auf die Schulter klopfen, über Fußball reden, sich aber auch gegenseitig protegieren und fördern und zu lukrativen Projekten und guten Positionen verhelfen. Für die Ladies in Führungspositionen gibt es diese Netzwerke nicht so ausgeprägt. Darüber hinaus gibt es keine echte Kultur der weiblichen Unterstützer- und Mentorenschaft. Und wo es so wenige Ladies in die einflussreichen Positionen schaffen, und sich gegenseitig nicht fördern, da kommen auch keine anderen Ladies nach. Jaja, natürlich gibt es viele Ladies in der Kreativbranche. Aber nur 3% in der Führungsebene. Das Ergebnis: da, wo die relevanten Entscheidungen gefällt werden, herrscht eine männliche Monokultur, die sich auf das gesamte Denken, die Kultur, die Projekte, die Lösungen auswirkt (was nicht nur Gutes hervorbringt – lies hier den fastco.design-Artikel über Tom Fadell, einer der iPhone-Entwickler der ersten Stunde, »I Wake Up in Cold Sweat Thinking, What Did We Bring To The World«). Können solche Mono-Konstellationen kreatives Denken hervorbringen? Können wir so die Probleme unserer Zeit lösen? Ich glaube nicht. Es gibt doch dieses bekannte Albert Einstein-Zitat, in dem er sagt: »Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.«

Stattdessen kämpft jede/r Einzelne ihren/seinen täglichen, einsamen Kampf. Alleine ist der Krafteinsatz jedoch ungleich höher. Alleine gelingt einem der Perspektivwechsel schwer: dass die eigenen Schwierigkeiten im professionellen Dasein vielleicht nicht nur an einem selbst liegen, sondern dass es vielen so geht. Dass es Muster gibt, die man flächendeckend findet und die systemimmanent sind. Der jahrelange Raubbau an der eigenen Kreativität und Inspiration. Der Druck des Dienstleistungsgeschäfts in der Kreativbranche. Die Schwierigkeiten, Beruf und Familie zu vereinbaren. Lange Jahre habe ich versucht zu beweisen, dass ich alles »trotzdem« hinkriege und mich nach oben durchgekämpft. Heute glaube ich, dass wir Netzwerke brauchen. Und uns gegenseitig besser unterstützen müssen.

Ladies, Wine & Design: Eine Plattform für Austausch

Ich habe zwei Jahrzehnte in der Designwelt hinter mir. Obwohl es manchmal nicht leicht war, liebe ich diese Branche und diesen Beruf. Ich habe in dieser Zeit alles gemacht, was man machen kann, in jeder Rolle – als Designerin, Texterin, Konzepterin, Strategin, Business Developerin, Unternehmerin und Geschäftsführerin. Vor kurzem habe ich alle Ämter abgestreift, um zu schauen, was unter dem Mantel hervorkommt.

In dieser neuen Phase möchte ich anderen, und besonders dem kreativen Nachwuchs, eine Plattform zu bieten, auf der das stattfinden kann, was ich immer vermisst habe: Feedback, Austausch, Unterstützung, Anerkennung, Diskussion über die größeren Fragen.

Eine Gelegenheit bot für mich Jessica Walshs Netzwerk »Ladies, Wine & Design« aus den USA. Jessica Walsh leitet zusammen mit Stefan Sagmeister das New Yorker Designbüro »Sagmeister & Walsh«. Die Idee ihres professionellen Netzwerks für Designerinnen hat sich innerhalb nur eines Jahres über den gesamten Globus verbreitet, die sogenannten »Chapters« gibt es mittlerweile in 120 Städten.

Zusammen mit meiner langjährigen Weggefährtin und Kreativdirektorin Annika Kaltenthaler und unserer jungen Kollegin Antonia Uhlig haben wir 2017 »Ladies, Wine & Design Munich« gegründet. Vor Ort in unserer Stadt, aber mit Anbindung an ein globales Netzwerk. Wir veranstalten alle ein bis zwei Monate Treffen in kleineren Runden, bei denen es immer um ein professionelles Schwerpunktthema geht: regelmäßige »Portfolio Reviews«, bei denen Designerinnen in einem kurzen Pecha Kucha-Vortrag ihr Portfolio präsentieren und Feedback erhalten können, Diskussionsthemen wie »Stories of fear and failure«, oder Workshops wie »Create your own brand and business«. Die Treffen finden immer an unterschiedlichen, inspirierenden Orten statt, jedes wird von einer interessanten Lady gehostet, die von ihrer eigenen spannenden Reise und ihrer kreativen Arbeit erzählt und uns dabei in ihren Räumen beherbergt. So waren wir schon in den Design- und Fotostudios von Anjamo, paperkate und der Fotografin Kathrin Makowski, demnächst hostet uns die Typografin und Gestalterin Petra Wöhrmann in ihrem wunderschönen Atelier.

Siehe hier unser aktuelles Programm auf unserer Website oder buche hier ein Event auf Eventbrite. Im November halten wir im Lovelace einen tgm-Vortrag zum Thema »Ladies, Wine & Design: Out of the echo chamber«

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