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»Warum die Kreativbranche eine Verantwortung hat« – Conrad Breyers Kommentar u.a. zu »Wir Internetkinder« in der W&V

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Dieser Kommentar erschien am 29. November 2024 in der w&v Online.
Im untersten Absatz referenziert er auf Julia Peglows Buch »Wir Internetkinder«. Vielen Dank lieber Conrad!

Text: Conrad Breyer

Innovationen im Bereich KI stärken den Standort und mildern für Agenturen die Folgen des Transformationsdrucks. Andererseits tragen sie womöglich mit bei zu mehr Werbemüdigkeit, warnt W&V-Kollege Conrad Breyer.

Mit Masumi präsentiert die Serviceplan Group einen weiteren Baustein ihrer KI-Strategie. KI- Agenten für Routineaufgaben in der Marketingkommunikation, auch die von extern, sollen dank des blockchain-basierten Protokolls von Plan.Net miteinander kommunizieren und
sich sogar gegenseitig bezahlen können. Sebastian Küpers, Chief Transformation Officer
der Plan.Net Group, glaubt fest daran, dass hierzulande bald ein ganzes Ökosystem von KI-Agenten entstehen wird, die auf digitalen Marktplätzen frei gehandelt werden. Und die Serviceplan Group, sagt er, wolle mit Masumi dafür die Infrastruktur liefern: „Wir möchten zum Paypal der KI-Agenten werden.“

Innovationen für den Standort Deutschland

Niemand weiß, ob der Serviceplan Group dieses Vorhaben gelingen wird, aber es ist zumindest mal eine Ansage, die Mut macht. Deutschland kann Innovation. Und es gibt Unternehmen, die wacker nach vorne gehen. Hoffen wir, dass nach der Neuwahl am 23. Februar ein Ruck durch
Deutschland geht, der unternehmerische Initiative befördert. Das ist ja oft auch eine Haltungsfrage. Niemand ist bislang auf die Idee gekommen, künstliche Intelligenz und Blockchain zusammenzudenken. Die Tatsache, dass Küpers und sein Team bei Masumi auf Blockchain setzen, zeigt, dass sie Interesse daran haben, den ganzen Markt mitzuentwickeln und zu Wachstum zu bringen. Und natürlich verdienen sie daran mit – das ist
gut so. Wie sagt W&V-Chefredakteur Rolf Schröter immer: »Die Flut hebt alle Schiffe.«

Die Kosten der Anpassung

Allerdings darf man sich auch keine Illusionen darüber machen, wie hoch die Transformationskosten sein werden. Ein Ökosystem von KI-Agenten, die automatisiert und völlig selbstständig Research, Content-Erstellung, CI-Überwachung, Insights und Design übernehmen, wie es der Serviceplan Group vorschwebt, wird den Markt völlig verändern. Ja, innovative KI-Produkte bergen Chancen auf Wachstum, zum Beispiel durch Lizenzgeschäft und Beratungsmandate. Das zeigt sich bereits mit den Angeboten, die etwa Jung von Matt und Mutabor ihren Kunden machen.
Sie heben aber natürlich auch Effzienzen und werden dadurch unzählige Menschen nicht nur in der Kreativindustrie zwingen, sich beruflich neu zu orientieren, allen voran in der Produktion. Kunden werden vieles inhouse anbieten; in der Riege der Dienstleister entstehen völlig neue Geschäftsmodelle.

Und was ist mit den Verbraucher:innen?

Intellektuelle Fleißarbeiten übernehmen künftig die Maschinen, Markenmacher:innen haben also mehr Zeit, über Ideen, Strategien und Konzepte für eine Markenführung nachzudenken, die einen echten Mehrwert bietet und Nähe schafft. Vorausgesetzt, es gelingt ihnen, die vielen Inhalte, die ihnen die KI künftig bei der Recherche vorsetzt, gut zu kuratieren und überhaupt aufzunehmen. Was indes die hpyerindividualisierte Ausspielung rein KI-generierter Inhalte mit den Verbraucher:innen macht, ist bereits abzusehen. Die Kontroverse um den Weihnachts-Spot von Coca-Cola zeigt, dass, wer in der Kreation allein auf Kosten schaut, damit noch nicht die Menschen verzaubert. Werbewirkung? Fraglich. Und was Media angeht, so warnte Max Lederer, CIO von Jung von Matt in Hamburg, beim Top 5 Club 2024 im Frühjahr vor weiterer Abstumpfung: »Das wird jetzt nochmal Performance-Marketing auf Steroiden und für die Konsument:innen nicht so schön.« All das gilt es, bei der Entwicklung innovativer KI-Produkte mitzubedenken.

KI mahnt zur Verantwortung

Die Designerin Julia Peglow hat in ihrem Buch »Wir Internetkinder« bereits 2021 davor
gewarnt, alles zu tun, bloß weil es möglich ist. Sie beschrieb in ihrem Werk das Leben einer Generation zwischen realer und virtueller Welt, die mit der Digitalisierung das freie Denken verlernt hat. »Die Produkte, die wir mit manchmal blinder Begeisterung gebaut haben«, sagt sie darin, entpuppten sich bald als »Geschäftsmodelle, deren Hauptzweck die Datenernte ist«. Und die Algorithmen, die dafür sorgen, dass wir von diesen Daten möglichst viele preisgeben, indem sie uns auf ihren Plattformen halten, hätten bis heute zum Teil dystopische Verhältnisse geschaffen: »Hysterie, Hass, Zersetzung der Gesellschaft.« So sind also Kreative, ohne es zu wollen, Opfer ihrer eigenen Kreativität geworden. Für den Umgang mit den technischen Möglichkeiten künstlicher Intelligenz sollte dies erst recht ein Weckruf sein.